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Extremparteien - Das Neue Protestmodell?


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Im Osten gärt es

Wahlen in den Neuen Ländern: Union und SPD können keine gemeinsame Vision mehr vermitteln/ Das Angebot von rechts- und linksaußen nimmt man deshalb gerne wahr

Doris Neujahr

 

Kaum flimmerten am Sonntag abend die ersten Wahlprognosen über den Bildschirm und kündigten den Wahlerfolg von DVU und NPD an, da kam auch schon die Erklärungsmaschine auf Touren. Es lag an der Desorientierung der Ostwähler, der von Demagogen geschürten Furcht vor Hartz IV, es lag am Weggang der Flexiblen und Klugen aus den Neuen Ländern und dem Verbleib des dümmlichen Bodensatzes, am Nichtangekommensein in der Bundesrepublik, an der unreflektierten Protesthaltung vor allem der Jugend und an der autoritären Erbschaft von über sechzig Jahren Diktatur sowieso.

 

Von allem trifft ein wenig zu, doch die Art und Weise, in der diese Binsenwahrheiten präsentiert wurden, verriet wieder eine Westperspektive, deren Verkünder aufgrund ihres numerischen Übergewichts immer noch glauben, eine kritische Prüfung des eigenen Inventars nicht nötig zu haben. Die aber wäre nötig, um die Motivation der Wähler von innen heraus zu verstehen. Um nur die autoritäre Ausprägung aufzugreifen: Die Wähler, soweit sie entsprechend artikulationsfähig sind, würden dieses Argument einfach umkehren und die Tabuisierung „rechter“ Parteien, der sich die westdeutschen Wähler bis heute unterwerfen, selber als eine autoritäre, unreflektierte Handlungsweise betrachten, die dazu geführt hat, daß viele wichtige Probleme bis heute nicht angesprochen, geschweige denn gelöst worden sind. Diese Wähler werden ihr Kreuz für die NPD oder DVU als einen antiautoritären Emanzipationsakt interpretieren.

 

Es entlud sich das Gefühl der Fremdbestimmung

 

Neun bzw. sechs Prozent Wählerstimmen sind bei einer Wahlbeteiligung von unter sechzig Prozent nicht atemberaubend viel, man soll das Ergebnis deshalb nicht überschätzen. Unterschätzen jedoch auch nicht, denn es ist auch eine andere Deutung möglich: Die Wahlenthaltung erfolgte entgegen den Aufrufen von Politikern, Kirchen, Gewerkschaften, Spitzensportlern und Künstlern, den prozentualen Stimmanteil von DVU und NPD durch einen massiven Urnengang zu reduzieren. Der Überdruß an den etablierten Parteien war allgemein größer als die Furcht vor dem Einzug einer radikalen oder extrem rechten Partei ins Landesparlament. Viele von denen, die sich der Stimme enthielten, haben den Erfolg von DVU bzw. NPD zumindest billigend in Kauf genommen. Vor allem junge Leute haben sie gewählt. Vielen kann man unterstellen, daß ihre Entscheidung eine Stimmung wiedergibt, die sie zu Hause erfahren haben, die ihre Eltern aber nicht artikulieren würden.

 

Was sich - unter anderem - entlud, war das Gefühl der Fremdbestimmung durch die etablierten, die „West“-Parteien. Es wurde durch die anschließenden Ereignisse bestätigt. SPD-Chef Franz Müntefering erklärte, man müsse den Leuten klarmachen, daß sich die Wahl rechter Parteien nicht gehöre. Da sprach der Oberlehrer aus dem Sauerland, der die Menschen vom sozial-demokratischen Charakter seiner Partei nicht mehr überzeugen kann und nun den Rohrstock hervorholt. Kanzler Schröder und andere hatten zuvor gewarnt, bei einem Erfolg der „Rechtsparteien“ blieben internationale Investitionen aus, was bei den potentiellen DVU/NPD-Wählern nur den Verdacht nährte, daß sie sich als Funktionäre des internationalen Finanzkapitals begreifen.

 

Die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehen versagten vollständig, als sie der kleinen Liane Hesselbarth von der DVU permanent das Wort abschnitten und damit den immerhin 71.000 DVU-Wählern - und Gebührenzahlern - gleichfalls ihre Miß- und Verachtung bezeugten. NPD-Mann Holger Apfel schien nichts anderes erwartet zu haben. Es machte ihm sogar Spaß, seinerseits gegen die kopflose Aufgeregtheit im Studio anzuschreien - was ihm auch außerhalb seiner Wählerschaft ein anerkennendes Kopfnicken eingebracht haben dürfte.

 

Die unmittelbare politische Wirkung der Erfolge von DVU und NPD mag gering sein. An ihnen entzündet sich aber die Furcht der etablierten Parteien, das unberechenbare Wahlverhalten im Osten könne das Modell für künftige Wahlen im Westen liefern, zumal sich auch dort die sozialen Konflikte verschärfen werden.

 

Hinter der Annahme, der Osten würde eines Tages das westdeutsche Parteiensystem, seine Inhalte und sein Vokabular übernehmen, und dies sei dann die „Normalisierung“, steckte viel unwissende Arroganz. Die lang anhaltende, relative Stabilität von SPD und CDU war vor allem charismatischen Politikern wie Kurt Biedenkopf und Manfred Stolpe zu verdanken. Stolpe agierte als letzter Reichsverweser der DDR und verschaffte der SPD in Brandenburg traumhafte Ergebnisse, worüber ganz vergessen wurde, daß seine Partei nur über 6.000 Mitglieder verfügt. 1999 war es mit der Herrlichkeit vorbei. In Sachsen hielt die CDU-Dominanz dank der überragenden Sachkompetenz Kurz Biedenkopfs noch länger an, bis Hartz IV auch hier die Verhältnisse umstürzte.

 

Man verweist auf die dünne politische Programmatik der „Rechts“-Parteien. Bei der DVU geht sie in der Tat über ein „Schnauze voll!“ nicht hinaus. Die NPD mit ihrem „Grenzen dicht!“ hat zur Lösung der ökonomischen Probleme ebenfalls nichts beizutragen. Davon einmal abgesehen ist der Gesellschaftsentwurf der NPD ziemlich klar. Die konzeptionelle Nähe zum Nationalsozialismus ist nicht bloß eine Behauptung des Verfassungsschutzes. Doch Begriffe wie (Neo)-Nazismus, Ausländer-, Demokratiefeindlichkeit usw. vernebeln die Wirkung der Partei auf junge Leute eher, als daß sie sie erklären. Dazu muß man die Logik ihrer Argumentation anhand ihrer Publikationen vorurteilsfrei beschreiben.

 

Zentral ist die Gemeinschaftsidee, die sie einem als kalt empfundenen Individualismus entgegensetzt. In den Ohren der Verfassungs- und Sprachwächter klingt die Propagierung der „Gemeinschaft“ bereits verdächtig, weil dadurch die Würde des Einzelnen gegenüber dem Kollektiv zweitrangig erscheint. Ein geschulter NPD-Funktionär würde mit dem Vorwurf „staatlich geförderter Asozialität“ kontern und Meinhard Miegel, einen Wirtschaftsliberalen mit Herz, zitieren: „Menschen sind von Natur aus sozial, zu deutsch gesellige, gesellschaftliche Wesen. Sie sind auf andere Menschen hin angelegt. Sie bedürfen ihrer existentiell. Ohne sie verkümmern sie körperlich, geistig, kulturell. (...) Nicht nur die Würde, auch das Soziale des Menschen, seine Einbettung in die Gesellschaft, ist unantastbar. Wird das Soziale beschädigt, nimmt das Menschsein selbst Schaden.“

 

Dieser Schaden, die Auflösung der sozialen Bindungen, tritt ein durch die Unterordnung der Gesellschaft unter die Logik der Ökonomie und Globalisierung, wie sie zuletzt in den Hartz-IV-Gesetzen zum Ausdruck kommt. Diejenigen gelten als erfolgreich, die jede Bindung von sich streifen, sich als frei flottierende, stets einsatzbereite, verwertbare Funktionen im Wirtschaftsbetrieb begreifen und damit ihrer Beschädigung zustimmen. Es gibt viele, die das nicht können - weil sie über die Eigenschaften, die gerade am Markt gefragt sind, nicht verfügen - oder nicht wollen, weil ihre Vorstellungen von einem erfüllten Leben andere sind.

 

Bis hierher geht die NPD-Argumentation mit der linken Sozialkritik konform, weshalb das NPD-Blatt Deutsche Stimme keine Schwierigkeiten hat, zustimmend aus dem vormaligen Zentralorgan der FDJ Junge Welt zu zitieren, das Hartz IV als „Enteignung jenes Teil der Bevölkerung“ charakterisiert, „der für die Erwirtschaftung der Profite dauerhaft überflüssig geworden ist. (...) Die Millionen Betroffenen stehen dadurch völlig mittellos für Zwangsdienste jedweder Art zur Verfügung. (...) Die sogenannten Reformen sind die erzwungene sozialpolitische Entsprechung der zerstörerischen Wirkung der ökonomischen Gesetze der Gegenwart.“

 

Es kennzeichnet die Armut der Reformdiskussion und der sozialdemokratischen Programmatik im besonderen, daß die Parteien nicht einmal mehr den Versuch unternehmen zu erklären, wie sie die Wirkung ökonomischer Gesetze steuern und begrenzen wollen und welches gesellschaftliche Zukunftsmodell sie haben. Im Osten, wo seit 1989 alle Strukturen umgemodelt wurden und die Menschen praktisch permanent in Bewegung sind, wirkt sich das Fehlen einer Zielbeschreibung verheerend aus.

 

Die Linke hat fraglos den Nachteil, daß sie aufgrund ihres traditionellen Internationalismus gegen eine Reihe von Erscheinungsformen der Globalisierung kaum Front machen kann. Das gilt insbesondere für die Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Dieses Problem trifft auch die PDS, die deshalb die Proteste gegen Hartz IV nur in sehr begrenztem Umfang auf ihre Mühlen leiten konnte. Ihr Internationalismus, der sie für die anderen Parteien - und längst auch für die Wirtschaft - akzeptabel macht, entfernt sie von den potentiellen Wählerschichten.

 

Die NPD dagegen argumentiert klar national. Für sie ist der Nationalstaat der Grenzzaun, der die Heimat schützt, diesen Ort der sozialen Verwurzelung und Bestätigung, durch die der Einzelne seine Würde erfährt.

 

Die Heimat ist - wieder aus dem Blickwinkel der NPD - einem Doppelangriff des internationalen Finanzkapitals ausgesetzt. Der vollzieht sich zum einen durch die ökonomische, gesellschafts- und sozialpolitische Entmachtung des Nationalstaats, die von Regierung und Parlament nur noch abgesegnet wird, zweitens durch die tatsächliche oder virtuelle Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen. Beides habe den Zweck, den Menschen zum besitz- und bindungslosen Partikel im Wirtschaftsbetrieb machen. Volkspädagogische Losungen wie „Wir sind alle Ausländer - fast überall!“ wirken nicht beruhigend, sondern als Bedrohung, und staatliche Aktionsprogramme „gegen Rechts“ lassen sich leicht als parasitäre Subsysteme des parasitären Finanzkapitals abtun.

 

Materiell auf den Stand von Asylbewerbern reduziert

 

Hartz IV hat das Gefühl der Entwurzelung in den Neuen Ländern ins Bedrohliche gesteigert und die Empfänglichkeit für die NPD-Argumentation erhöht. Die Versicherung, Arbeitslose würden nicht nur gefordert, auch gefördert, geht zwischen Ostsee und Erzgebirge wegen der fehlenden Arbeitsstellen ins Leere, genauso der Hinweis, die Empfänger von Arbeitslosenhilfe würden zwar schlechter, die von Sozialhilfe dafür besser gestellt. Der Status des Langzeitsarbeitslosen ist in der Ex-DDR weit häufiger als der des Sozialhilfeempfängers. Das hat mit den in der DDR begonnenen Arbeitsbiographien zu tun, die 1990 abrupt endeten und durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen, Kurzzeitjobs intervallweise verlängert wurden.

 

Der Arbeitslosenstatus - wie fiktiv auch immer - stellte wenigstens eine symbolische Verbindung zur Arbeitswelt her, von dort bezogen die Betroffenen ihr Restgefühl an Würde. Dieses dünne Band wird nun gekappt, einen ideellen Ersatz kann ihnen die Gesellschaft nicht bieten, und materiell sehen sie sich im eigenen Land auf den Stand von Asylbewerbern reduziert. Von allen Transformationsgebieten des ehemaligen Ostblocks ist die Ex-DDR seelisch am unglücklichsten.

 

Wie wenig diese psychische Katastrophe im Westen wahrgenommen wird, zeigt ein Artikel in der FAZ, in dem Jürgen Kaube mit Blick auf die Arbeitspflicht in der DDR befand: „Arbeit war also ein praktisch unterschiedloser Begriff - wie hätte er sich zur Identitätsbildung eignen sollen? Was man nicht verlieren und nicht erwerben kann, definiert kein Selbst.“

 

Im Frankfurter Redaktionsstübchen mögen solche Sätze stimmig wirken, mit der Lebenswirklichkeit haben sie nichts zu tun. Der Arbeitsplatz war in der DDR - in ganz anderer Weise als im Westen, denn Konkurrenz gab es hier nicht - auch der Ort der Kommunikation, der sozialen Kontakte, wo man Bekanntschaften schloß und Freundschaften pflegte. Auf Betroffene wirken solche Sätze daher wie ein Rausschmiß - nun auch noch aus der eigenen Vergangenheit. Da wundert man sich fast, daß NPD und DVU nicht noch mehr Stimmen erhalten haben.

 

Vgl. http://www.junge-freiheit.de/aa_04.htm

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Und hier noch eine perfekte Analyse der Ist-Situation vom Chefredakteur der JF, Dieter Stein.

 

Hier nochmal die Frage an @HarryB: Was ist daran faschistisch?

 

Nicht von der Länge abschrecken lassen -> sehr lesenswert!

 

Die schwache Mitte

Die jüngsten Landtagswahlen fordern die deutsche Demokratie heraus

Dieter Stein

 

Deutschlands Mitte erzittert. Die politischen Ränder expandieren, und das traditionelle - westdeutsche - Parteiensystem schrumpft. Als es 1966 in Bonn zur ersten Großen Koalition kam, verfügten SPD und CDU im Bundestag gemeinsam über 90 Prozent der Stimmen. Nach den jüngsten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sollen beide Länder ebenfalls von „Großen Koalitionen“ aus CDU und SPD regiert werden. Nur: Diese Koalitionen haben lediglich hauchdünne Mehrheiten. In Potsdam erhielten SPD und CDU gemeinsam 51,3 Prozent der Stimmen, in Dresden nur noch 50,9 Prozent.

 

Daß die für die kommunistische Diktatur der DDR verantwortliche SED in Gestalt der PDS massive Stimmengewinne verbuchen konnte, in Brandenburg und in Sachsen zweitstärkste Partei geworden ist, scheint kaum noch jemanden ernstlich zu erschüttern. Die Postkommunisten sind politisch voll etabliert, sie sind in Berlin und Schwerin angesehene Koalitionspartner der SPD, Gregor Gysi als charmantes und eloquentes Aushängeschild tummelt sich wieder in sämtlichen Talkshows - und bereitet seine Rückkehr in die Bundespolitik und den Wiedereinzug der Partei in den Bundestag vor.

 

Ins Mark getroffen sieht sich das politische Berlin ausschließlich durch das starke Abschneiden von DVU und NPD. Unvorbereitet traf dies die Öffentlichkeit nicht, es hatte sich seit der saarländischen Landtagswahl vom 5. September angekündigt. Dort hatte die NPD für westdeutsche Verhältnisse sensationelle vier Prozent erhalten. Demoskopen sagten das nun in Sachsen und Brandenburg eingetroffene Ergebnis überraschend präzise voraus.

 

Der jetzt schnell lautwerdende Ruf nach einem verstärkten „Kampf gegen Rechts“ geht an den Ursachen für diese Protestwahl - und um eine solche handelt es sich - vorbei. Da es sich bei der großen Mehrheit der DVU- und NPD-Wähler nicht um ideologisch gefestigte Rechtsextremisten handelt, liegen die Ursachen woanders: nämlich in einer gravierenden Vertrauenskrise der Parteien und der Demokratie insgesamt.

 

So ist es bezeichnend, daß die seit Jahren rapide sinkende Wahlbeteiligung kein politisches Erdbeben auszulösen vermag. Wenn mittlerweile 50 Prozent der Wahlberechtigten sich weigern, überhaupt noch ein Wahllokal zu betreten, so ist dies ein dramatischer Vertrauensentzug sowohl für die politisch Verantwortlichen als auch für ihre parlamentarische Opposition. Es zeigt, daß die existierenden Parteien nicht mehr als Alternativen wahrgenommen werden und ihnen die Lösung anstehender Probleme nicht mehr zugetraut wird.

 

Wahlenthaltung ändert jedoch zunächst nichts an der Verteilung der politischen Gewichte. So schmerzt real in der parlamentarischen Demokratie politische Verantwortung tragende Parteien letztlich nur das Aufkommen neuer Parteien, die die politischen Gewichte verschieben und ein „Stück vom Kuchen“ für sich und ihre Wähler reklamieren.

 

In den neuen Bundesländern gibt es eine noch stärker verbreitete Skepsis gegenüber dem etablierten, zudem als nicht gewachsen und als westdeutsch empfundenen Parteiensystem. Parteien der Wendezeit konnten der Konkurrenz professionell und mit Millionenetats operierender Organisationen aus Bonn ebensowenig standhalten wie die neugegründeten Zeitungen von Bürgerrechtlern, die von finanzstarken Großverlagen aus dem Westen überrollt wurden.

 

Auch deshalb ist die PDS als Ventil des Ostens stark, nicht nur wegen nostalgischer postkommunistischer Vorstellungen. Instinktiv erleben gerade viele Jungwähler die Konformität politischer Aussagen von SPD bis CDU in wesentlichen Fragen: Sei es die in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien als besonders bedrohlich empfundene Osterweiterung der EU, die Einwanderung, der noch nachhaltende Schock der Aufgabe der D-Mark für den Euro und an erster Stelle die Massenarbeitslosigkeit und der Umbau der Sozialsysteme unter dem Schlagwort „Hartz IV“.

 

Gerade in diesen Tagen werden wieder von großen Zeitungen den durch Montagsdemonstrationen und Protestwahl aufsässig werdenden „Ossis“ die Milliardensummen um die Ohren gehauen, die seit 1990 als Transferleistungen in die neuen Länder geleitet worden sind. Als ob es bei der deutschen Einheit nur um Geld ginge! Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme liegen auf der Hand - doch warum wird dann nicht noch stärker PDS gewählt?

 

Warum wählen die Brandenburger mit 6,1 Prozent eine DVU erneut in den Landtag, die eine pure Phantompartei eines gerissenen Geschäftsmanns aus München ist? Warum wird in Sachsen sogar eine NPD mit 9,2 Prozent in den Landtag gewählt, der man unwidersprochen vorwerfen kann, eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei zu sein?

 

Kurt Biedenkopf traf den Nagel auf den Kopf, als er das Wahldebakel für die Volksparteien und den Sieg der NPD analysierte: Ein zentrales Problem sei, daß der Prozeß der deutschen Einheit zu sehr „ökonomisiert“ worden sei. „Das hat mit der Reduktion auf das Ökonomische zu tun, und dem fühlen sich die Menschen ausgeliefert. Und wenn sie jetzt mit den Maßstäben bewertet werden, können sie gar kein Selbstbewußtsein entwickeln. Wir sind ja im Augenblick dabei, den Leuten den letzten Rest von Anlaß zu nehmen, stolz auf das zu sein, was sie gemacht haben.“

 

So verurteilt Biedenkopf die Wähler nicht für ihre Protestwahl, sondern lobt sie ausdrücklich für ihre demokratische Strafaktion: „Ich finde das gut, daß die sich gewehrt haben, und ich wünsche mir, daß die beiden Volksparteien Schlußfolgerungen daraus ziehen und nicht in erster Linie jetzt die Wähler dafür verantwortlich machen, daß sie reagiert haben auf eine falsche Art und Weise der Reformen, die unser Land braucht.“

 

Die meisten Bürger wollen sich mit ihrer Gemeinschaft, ihrem Volk, ihrem Staat identifizieren. Solidarität appelliert an ein Gemeinschaftsgefühl, im Staat findet dies seinen Ausdruck in einem selbstverständlichen und stolzen Patriotismus.

 

Nur im Namen eines solchen Zusammengehörigkeitsgefühls sind Bürger bereit, Belastungen zu ertragen - von Solidaritätszuschlag bis zu realem Lohngefälle zwischen Ost und West. Doch welche „Vorbilder“ haben junge Leute vor der Nase? Michael Schumacher, der vor der Steuer ins Ausland flüchtet? Unpatriotische „Global Player“ wie Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser oder Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der den Satz prägte: „The Deutsche Bank is not a German bank“? Oder Umweltminister Jürgen Trittin, der nach der Vereidigung des Bundespräsidenten, Hände in den Hosentaschen, sich weigert, die deutsche Nationalhymne mitzusingen?

 

Wo findet denn deutsches Gemeinschaftsgefühl seine Artikulation? Die Menschen wollen eine Antwort auf die „nationale Frage“. Die politische Mitte antwortet: „Europa“, die PDS antwortet: „Internationalismus“ - und die „Rechten“?

 

Wenn die Demokratie Vertrauen zurückgewinnen soll, dann muß sich die Gesellschaft zugänglicher erweisen für Kritik, als dies bisher der Fall ist. Auch deshalb wird sich das unsouveräne Verhalten gegenüber Vertretern von DVU und NPD am Wahlabend als Bumerang erweisen. Selbst die linke taz vermerkte verbittert: „Mit ihrer aggressiven und undemokratischen Machtdemonstration haben die Öffentlich-Rechtlichen diesen Wählern zumindest dieses demonstriert: Im Ernstfall gelten uns demokratische Regularien und bürgerliche Umgangsformen wenig; höflich sind wir nur zu den Mächtigen.“

 

Wie undurchlässig und verrammelt zeigen sich die Kartelle in Politik und Medien bereits gegen gemäßigte kritische Quereinsteiger und unabhängige Köpfe! Wie immer gleich sind die Talkshows und Podien besetzt, und wie verschwindend selten sind zivilisierte, konstruktiv polarisierende Debatten von links bis rechts! Den Nachhall, den die undemokratischen Kampagnen gegen Martin Walser, Jürgen W. Möllemann und Martin Hohmann ausgelöst haben, hat das Publikum noch im Ohr.

 

Wie arrogant und intolerant reagiert die politische Klasse auf Gehversuche alternativer Parteien - vom nationalliberalen Bund Freier Bürger, Republikanern bis Schill-Partei! Wie sehr wird geradezu auf den Ausschluß, die soziale Erledigung des Andersdenkenden hingearbeitet! Insofern ist es womöglich konsequent, daß schlußendlich einmal eine Partei mit Aplomb auf den Plan tritt, die jede Diskussion beenden will und offen „das System“ zum Feind erklärt hat: die NPD.

 

Damit ist die NPD nun ein klares Symptom der Krise der deutschen Demokratie. Wütende und hoffnungslose Bürger sehen keinen anderen Ausweg mehr und machen mit der Wahl dieser Partei ihren Sorgen Luft.

 

Die NPD aber bietet anstelle eines notwendigen und gesunden Patriotismus eine Farce, eine traurige schwarz-weiß-rote Karikatur des Nationalen. Mehr denn je ist sie in ihrem harten Kern ein Transmissionsriemen einer bizarren neo-nationalsozialistischen Subkultur. Ihre Nähe zum Dritten Reich muß man nicht entlarven, sie bekennt sich ungeschminkt dazu, wie das Gespräch dieser Zeitung mit dem NPD-Chef Udo Voigt zeigt (siehe Seite 3 und Kommentar auf Seite 2). So wird die Sehnsucht jetzt von der NPD angezogener junger Deutscher, die sich mit ihrem Land identifizieren wollen, mißbraucht und ins Lächerliche gezogen. Dennoch stellt sich mit der NPD für die Demokratie die nationale Frage mehr denn je. Anstelle ritualisierter Ächtung muß diese Frage inhaltlich beantwortet werden.

 

Vgl. http://www.junge-freiheit.de/aa_01.htm

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Ich wähle die Partei, die für mich die beste ist, solange es geht.

 

Sollte ich solch eine Partei aber einmal nicht mehr finden könnte ich auch eine wählen, die für andere die schlimmste ist.

Der NPD und den anderen Rechtsparteien gibt gerade der Umstand, daß die Blockwarte der political correctness bei ihnen so herrlich an die Decke gehen, einen besonderen Reiz. (Aber Vorsicht - diese Art von Reiz hat auch Rauschgift.)

 

@Besorgter

Man kann über alles schreiben, aber nicht über eine Seite.

Könntest Du deine länglichen Schriebe vielleicht auf diesen Umfang eindampfen?

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@Besorgter

 

Wieso eigentlich neues Protestmodell?

 

Könntest Du deine länglichen Schriebe vielleicht auf diesen Umfang eindampfen?

Das geht nicht, weil sonst die Pointen und Spitzen verlorengingen. Wessen Aufnahmefähigkeit nur bis zu einer Seite reicht, muss mit einfacheren Parolen wie "Schluss mit Abzocke" auskommen.

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"Ziel ist, die BRD abzuwickeln"

 

BRISANTES INTERVIEW

 

Justiz nimmt NPD-Chef Voigt ins Visier

 

Von Matthias Gebauer

 

Die Berliner Justiz prüft Ermittlungen gegen den NPD-Parteichef Udo Voigt. Dieser hatte Hitler in einem Interview als "großen deutschen Staatsmann" und den deutschen Staat als "illegitimes System" tituliert. Zudem kündigte Voigt eine Kampagne der NPD an, um Neonazis als Mitglieder zu locken.

 

 

 

DDP

Parteichef Udo Voigt: Integration von Neonazis soll NPD noch schlagkräftiger machen

Berlin - Das heikle Interview mit dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt war am Freitag in der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" unter der Schlagzeile "Ziel ist, die BRD abzuwickeln" erschienen. In dem Interview macht Voigt keinen Hehl aus seiner Bewunderung zu Hitler. "Zweifellos handelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann", sagte er dem Blatt, das regelmäßig NPD-Größen und Sympathisanten der rechten Szene ausführlich zu Wort kommen lässt.

 

Auch die Nachkriegsphase und die juristische Aufarbeitung der Gräueltaten des Nazi-Regimes durch die Alliierten kritisiert Voigt aufs Heftigste. Bei den Prozessen in Nürnberg hätte die "legitime Führung des Deutschen Reiches und seine militärische Elite" vor Gericht gestanden. Mit Gerechtigkeit jedoch hätten diese Prozesse nichts zu tun gehabt, die Täter seien durch eine "Siegerjustiz" abgeurteilt worden. Außerdem macht sich der Parteivorsitzende erneut über Innenminister Otto Schily lustig, dem er für seine Wahlkampfhilfe durch das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren ausdrücklich dankt.

 

Schon wegen der Äußerungen über Hitler prüft die Staatsanwaltschaft Berlin nach Informationen von SPIEGEL ONLINE ein Ermittlungsverfahren gegen den Parteichef Voigt. Seit Freitagnachmittag analysieren die Ermittler intensiv, welche strafrechtlichen Paragraphen das Interview verletzten könnte. "Beim ersten Lesen fällt einem da schon eine Menge ein", bestätigte ein hochrangiger Staatsanwalt die Tätigkeiten der Fahnder.

 

Juristen prüfen Volksverhetzung und Glorifizierung Hitlers

 

Nach der ersten Lektüre kommen laut den Staatsanwälten drei mögliche Gesetzesverstöße in Frage: Zunächst halten die Juristen mit einem Verstoß gegen den Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches für möglich, der volksverhetzende Aussagen verbietet. "Zudem könnte der Paragraph 86 des Strafgesetzbuches greifen, der die Glorifizierung des Diktators untersagt", so der Staatsanwalt. Anfang der Woche würde nun entschieden, ob ein solches Verfahren tatsächlich eingeleitet werden könnte.

 

 

 

DDP

NPD-Anhänger: "Ziel ist, die BRD abzuwickeln"

Neben den Äußerungen zu Hitler sind noch zwei weitere brisante Passagen in dem Interview enthalten. So bezeichnet Voigt den Staat der Bundesrepublik Deutschland wörtlich als "illegitimes System". Dieses müsse seiner Ansicht nach "durch revolutionäre Veränderungen" wie in der DDR im Jahr 1989 gestürzt werden. "Entweder wird es durch Verfall zur multikulturellen Gesellschaft erodieren, oder das Volk wird ihm durch revolutionär verändertes Wahlrecht ein Ende setzen", sagte Voigt.

 

Auch diese Aussage ist aus Sicht der Juristen möglicherweise strafbar, da der Staat und seine Symbole von Voigt explizit verunglimpft werden. "Das ist schon ziemlich starker Tobak", kommentierte ein Staatsanwalt die Äußerungen Voigts.

 

Offiziell wollte sich die Justizbehörde am Sonntag nicht zu den möglichen Ermittlungen äußern. Man habe bisher keine Kenntnis von einem offiziellen Ermittlungsverfahren, sagte ein Sprecher. Gleichwohl wollte der Sprecher nicht ausschließen, dass in den entsprechenden Abteilungen der Staatsanwaltschaft geprüft werde, ob die Interviewäußerungen strafrechtlich zu verfolgen sind.

 

Aufruf an Neonazis zum Eintritt in die NPD

 

In Berlin wurden die möglichen Ermittlungen gegen den NPD-Chef von der Fraktion der Grünen ausdrücklich gelobt. Der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, sagte, die Aussagen Voigts zeigten das "wahre Gesicht der NPD". Von dem Interview sei er als Politiker "empört". Ausdrücklich lobte Ratzmann, dass sich die Berliner Staatsanwaltschaft so schnell eingeschaltet habe. Auch aus Berliner PDS-Kreisen war "Zufriedenheit über die Ermittlungen und Abscheu über das Interview" zu vernehmen.

 

Unabhängig von den Ermittlungen gegen Voigt gibt das Interview weitere Hinweise auf das zukünftige Vorgehen der NPD nach dem Wahlerfolg der Partei in Sachsen. So bekennt sich der Parteivorsitzende Udo Voigt ganz offen zur Integrierung "nationalsozialistischer Strömungen" in die Partei. Schon seit Wochen tauchen auf den Internetseiten bekannter Neonazis Aufrufe auf, jetzt unter dem Mantel der NPD Politik zu machen. Besonders besorgt sind Staatsschützer über mehrere Erklärungen dreier bundesweit bekannter Neonazis, die schon vor der Wahl in die NPD eingetreten sind.

 

Von der NPD war am Sonntag weder zu den möglichen Ermittlungen noch zu den Aussagen des Parteichefs eine Stellungnahme zu bekommen. Trotz mehrmaliger Anfragen meldete sich der Sprecher der Partei nicht.

 

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/...,320048,00.html

 

 

MfG.

 

hartmut

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Und damit nicht irgendwelche Gerüchte oder Vorurteile der JF gegenüber aufkommen, hier das Interview in voller, ungekürzter Länge (man beachte bitte den kritischen, neutralen Fragestil). Es möge sich bitte jeder selbst sein unverfälschtes Bild machen.

 

„Ziel ist, die BRD abzuwickeln“

Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt über den Wahlerfolg seiner Partei und den „Zusammenbruch des liberal-kapitalistischen Systems“

Moritz Schwarz

 

Herr Voigt, die NPD ist am vergangenen Sonntag von 2,6 Prozent bei der Landtagswahl 1999 auf 9,2 Prozent geschnellt. Wie erklären Sie sich diesen für Ihre Partei ganz außerordentlichen Wahlsieg?

 

Voigt: Wer Wut im Bauch hat, der will Rache, und bei der NPD ist garantiert, daß die Etablierten ein Maximum an politischem Schmerz empfinden.

 

Allerdings ist die NPD keine Protestpartei wie etwa die DVU. Sie zielt nicht in erster Linie auf Wahlsiege, sondern auf Verbreitung ihrer Weltanschauung. Mit Protestwählern können Sie also im Grunde nicht zufrieden sein.

 

Voigt: Das ist richtig, und dieser Sieg im Zuge des Hartz IV-Protestes wurzelt tatsächlich in einer langjährigen und beharrlichen Basisarbeit in Sachsen, wo wir eine solide Stammwählerschaft aufgebaut haben. Wir werden unter Beweis stellen, daß wir nicht nur Protest-, sondern auch ein Politikpotential haben. Die NPD lebt vom extremen Idealismus, der Opferbereitschaft und der Einsatzfreudigkeit ihrer Mitglieder, denn wir stehen unter besonderem Druck. Das produziert politische Aktivisten von ganz anderem Schlage, als die Bürger es von den übrigen Parteien kennen. Und Hetzkampagnen gegen die NPD, wie die der Sächsischen Zeitung und der Morgenpost, die kurz vor der Wahl Anzeigen ihrer hauseigenen „Initiative für Toleranz und Demokratie“ schalteten, von denen mit Fug und Recht festgestellt werden kann, daß sie sogar noch das Niveau des Stürmer unterbieten, haben hier keine große Wirkung. Zu sehen waren dort drei Babyskinheads in SA-Uniform, mit aufgerissenen „Mäulern“, mit je einem Zahn und heraustropfendem Speichel. Überschrift: „Wer nicht zur Wahl geht, wählt NPD“.

 

Viele Bürger waren allerdings durchaus über das aggressive Auftreten Ihres Spitzenkandidaten Holger Apfel im Fernsehen erschreckt.

 

Voigt: Es waren wohl mehr Zuschauer über das undemokratische Verhalten der Fernsehmoderatoren überrascht. Apfel hat genau den richtigen Ton angeschlagen, denn unsere Wähler erwarten, daß wir mit der Faust auf den Tisch schlagen. So haben wir es schließlich auf unseren Wahlplakaten versprochen!

 

Das wird also der Stil der Arbeit der NPD im Landtag sein?

 

Voigt: Versprochen ist versprochen.

 

Spitzenkandidat Apfel kündigte an, inhaltlich werde die NPD im Landtag „Fundamentalopposition“ betreiben. Was ist damit gemeint?

 

Voigt: Wir werden die Etablierten ohne Unterlaß und in aller Schärfe politisch angreifen. Da wird es keine Schonung geben, wir werden stets deutlich machen: Die stehen dort, und wir stehen hier! Deshalb sind wir auch froh, daß die Vertreter der Etablierten am Sonntag Abend den Tisch verlassen haben, als Holger Apfel zu Wort kam. Die Wähler sollen sehen, daß wir mit denen nichts zu tun haben. Wir gehören nicht zu jenen, die - kaum im Parlament - ihre Verantwortung gegenüber dem Wähler vergessen und versuchen, auch ein warmes, wohldotiertes Plätzchen bei den Etablierten zu finden. Wir bleiben auch im Parlament die Partei des Volkes.

 

Und was bedeutet das nun inhaltlich?

 

Voigt: Wir werden im Landtag jede Gelegenheit nutzen zu polarisieren, um den Menschen aufzuzeigen, wie die Situation jenseits aller Schönfärberei aussieht. Die Leute sollen sehen, wohin die Fahrt geht, und sie sollen erkennen, daß es früher oder später notwendig ist, sich zu entscheiden. Nämlich zwischen dem Untergang Deutschlands in einer multikulturellen Gesellschaft oder einer Besinnung auf eine nationale Wende.

 

Sie haben sich am Wahlabend ausdrücklich bei Innenminister Otto Schily bedankt. Warum?

 

Voigt: Schilys Wahlkampfhilfe für die NPD kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Verbotsverfahren gegen unsere Partei - ebenso übrigens wie der „Kampf gegen Rechts“ - hat die NPD erst richtig als Alternative zu den Etablierten im öffentlichen Bewußtsein aufgebaut. So belebt wie seit dem Verbotsverfahren war es an unseren Info-Ständen schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

 

Demokratisch-bürgerlichen Rechtsparteien wie den Republikanern, der Schill-Partei oder der CDU hat der „Kampf gegen Rechts“ schwer geschadet, wieso nicht der NPD?

 

Voigt: Die Beschleunigung der Zerstörung oder Beschädigung dieser Parteien hat uns den Weg freigeräumt und uns Teile ihrer durch Enttäuschung radikalisierten Wählerschaft in die Arme getrieben. Wer glaubte, etwa durch konsequente Distanzierung von der NPD Akzeptanz bei den Etablierten zu finden, der wurde eines besseren belehrt.

 

Die Jungen Nationaldemokraten, die Jugendorganisation der NPD, aber wirbt seit Jahren mit dem Spruch: „Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler“. Sie fordern offen den Umsturz?

 

Voigt: Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat. Dies geht offensichtlich auch über die Wahlurne.

 

Bitte?

 

Voigt: Nach 1945 sind in Deutschland zwei Vasallenstaaten entstanden, die DDR in Mitteldeutschland und die BRD im Westen. Erst wenn beide Vasallenstaaten verschwunden sind, können die Deutschen sich in Selbstbestimmung einen eigenen Staat schaffen, in dem sie frei leben können.

 

Widersprechen Sie, wenn man da feststellt, daß die NPD zu Recht vom Verfassungsschutz verfolgt wird?

 

Voigt: Nein, im Grunde ist diese Beobachtung der NPD aus Sicht der Vasallenstaaten nachvollziehbar. Jedoch nur unter der Voraussetzung der Wahrung der eigenen ethischen und rechtlichen Grundsätze. Das aber ist nicht der Fall. Tatsächlich wird das Grundgesetz mit grundgesetzwidrigen Mitteln „verteidigt“. Das ist ein Skandal.

 

In Ihrem Parteiprogramm heißt es: „Die NPD steht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Offensichtlich eine Täuschung.

 

Voigt: Präambel und Artikel 146 des Grundgesetzes formulierten über fünfzig Jahre den Verfassungsauftrag, die Einheit Deutschlands herzustellen und damit gleichzeitig das Provisorium des Grundgesetzes zu beenden und dem deutschen Volk eine Verfassung zu geben, die es in freier Selbstbestimmung beschließt. Entgegen diesem Verfassungsauftrag besteht die Gültigkeit des provisorischen Grundgesetzes auch fast 15 Jahre nach dem Tag der Vereinigung von BRD und DDR fort. Insofern existiert mittlerweile gar keine legitime Verfassung mehr, gegen die wir verstoßen könnten. Und die Frage ist natürlich, ob sich ein solchermaßen illegitimes System wirklich noch auf das Prinzip der wehrhaften Demokratie berufen kann.

 

Wie hat man sich den Umsturz vorzustellen?

 

Voigt: Durch revolutionäre Veränderung.

 

Nämlich?

 

Voigt: Durch Bewußtwerdung des Volkes über den Zustand der Entmündigung, in dem es sich befindet, und eine demokratische Erhebung dagegen. Dieser Prozeß hat am Sonntag mit dem Wahlerfolg der NPD in Sachsen bereits begonnen.

 

Lenin hielt es für legitim, der Geschichte durch Waffeneinsatz auf die Sprünge zu helfen, wenn die Zeit dafür reif ist.

 

Voigt: Das kommt für uns nicht in Frage, die NPD erkennt das Gewaltmonopol des Staates und damit dessen Gesetze an.

 

Also ein legitimistischer Kurs?

 

Voigt: Wir erstreben zwar die Überwindung der BRD, aber solange sie de facto existiert, werden wir ihre Gesetze befolgen.

 

Was aber, wenn die Revolution ausbleibt?

 

Voigt: Es ist doch offensichtlich, daß das liberal-kapitalistische System der BRD vor dem Zusammenbruch steht: Entweder wird es durch Verfall zur multikulturellen Gesellschaft erodieren, oder das Volk wird ihm durch revolutionär verändertes Wahlrecht ein Ende setzen.

 

Was, wenn sich die Deutschen Ihrer Erhebung nicht anschließen?

 

Voigt: Darauf müssen wir eben mit aller Kraft hinwirken.

 

Die Satzung der NPD fordert, die „persönliche Haftung von Politikern“ einzuführen - das heißt, Sie wollen nach der Wende Politiker der, wie Sie sagen, „Systemzeit“ zur Rechenschaft zu ziehen?

 

Voigt: Das gilt selbstverständlich dann ebenso für die Politiker der NPD, die dann die Verantwortung tragen. Der Eid der Kabinettsmitglieder lautet aber schon heute, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“ - wer den Eid verletzt hat, muß selbstverständlich auch die Konsequenzen tragen.

 

Rückwirkend?

 

Voigt: Es ist nur legitim, wenn sich alle verantworten müssen. Bedenken Sie, daß die nationalen Kräfte das Siegertribunal von Nürnberg hinter sich haben.

 

Was heißt die „nationalen Kräfte“? In Nürnberg ging es um die Funktionselite des Dritten Reiches - während zahlreiche Deutsche gerade aus nationalem Empfinden im Widerstand gegen Hitler waren, wie etwa die Männer des 20. Juli.

 

Voigt: In Nürnberg ging es um die legitime Führung des Deutschen Reiches und seine militärische Elite. Die Anklage erfolgte nur gegen Deutsche, und eine wirkliche Verteidigung gab es nicht. Dieses Verfahren war gekennzeichnet durch Willkür, Haß, Einseitigkeit - eben eine Siegerjustiz.

 

In Nürnberg wurden viele der Verurteilten aufgehängt.

 

Voigt: Anders als damals wird dann Recht, nicht Rache herrschen. Es geht darum, gerecht zu bestrafen, dazu muß man niemanden aufhängen.

 

Sehr beruhigend. Wie hat man sich die neue Ordnung der NPD vorzustellen?

 

Voigt: Darüber wird dann das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung entscheiden. Aber es wird eine Volksgemeinschaft sein, und ein wichtiger Eckpfeiler ist die direkte Beteiligung durch Volksabstimmungen, wie das zum Beispiel der Politologe Hans-Herbert von Arnim vorschlägt.

 

Das klingt recht schwammig, was meinen Sie mit „Volksgemeinschaft“? Auch Wolfgang Schäuble forderte schon die „Schicksalsgemeinschaft“ der Deutschen.

 

Voigt: Schäuble und die CDU betreiben gleichzeitig eine die Gesellschaft fragmentierende Einwanderungspolitik, das zeigt, wie verlogen seine Forderung ist. Im übrigen: Räumen Sie mir hier weiteren Platz ein, dann werde ich Ihnen unsere Vorstellung einer neuen Ordnung, in der die Deutschen als Deutsche wieder eine Vision haben, detailliert erläutern.

 

Offensichtlich sehen Sie in der Zeit des Nationalsozialismus das Vorbild für Ihre neue Ordnung.

 

Voigt: Daß Sie in der JUNGEN FREIHEIT mit Klischees der etablierten Presse arbeiten, wundert mich doch sehr. Die NPD steht in der Tradition von 1813, des Hambacher Festes und der Revolution von 1848, den Wurzeln der deutschen Einheitsbewegung.

 

Sie lenken ab: In vielen Publikationen der NPD sticht der Nationalsozialismus als Ideengeber hervor.

 

Voigt: Wir sind keine Partei, die nur deshalb etwas schlecht findet, weil es schon zwischen 1933 und 1945 vorhanden war. Tatsächlich hat der Nationalsozialismus die Ideen völkischer Identität von 1848 in hohem Maße realisiert, leider aber war er auch imperialistisch.

 

Ist „imperialistisch“ nicht eine verharmlosende Vokabel? Schließlich ging es nicht nur um Ausbeutung, sondern um Versklavung, ja Ausrottung ganzer Völker.

 

Voigt: Als Befreiungsnationalisten lehnen wir die Unterwerfung fremder Völker ab. Wir bekennen uns zur einmaligen Besonderheit jedes Volkes, verurteilen aber eine Unterteilung in höher- oder minderwertig. Wir brauchen keine Belehrung über Völkermord von denen, die zunächst sechzig Millionen Ureinwohner ausgerottet haben, um den eigenen Kontinent zu besiedeln.

 

Immerhin tauchen bei NPD-Demonstrationen Parolen wie „Sozialismus ist braun“ auf.

 

Voigt: Wenn man jahrelang eingeredet bekommt, nichts als ein „übler Faschist“ zu sein, dann gibt es Leute, die dem nicht standhalten und sich leider in einer Trotzreaktion verrennen. Aber das sind einzelne.

 

Einzelne? Immerhin gibt es seit Jahren eine NPD-Umfeldorganisation namens „Das Braune Kreuz“.

 

Voigt: Wie Sie richtig feststellen, ist das Braune Kreuz keine Gliederung der NPD, sondern ein unabhängiger Sanitätsdienst, der auf allen Veranstaltungen der nationalen Szene Hilfe leistet.

 

Zu dieser „nationalen“ Szene gehören die Freien Kameradschaften, die gleichzeitig eine Art informellen Flügel der NPD darstellen. Dadurch hat die Partei engen Kontakt bis hin zum militanten Neonazismus.

 

Voigt: Natürlich ist der Nationalsozialismus als Strömung in Deutschland auch heute vorhanden. Für die NPD ist er nicht maßgebend, aber wir versuchen, neben Nationalliberalen und Nationalkonservativen eben auch die nationalsozialistische Strömung zu integrieren, da eine Abgrenzung nur dem politischen Gegner hilft.

 

Herr Voigt, wie bewerten Sie die Person Adolf Hitlers?

 

Voigt: Zweifellos handelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann. Ich verkenne aber nicht, daß er letztlich die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands trägt.

 

Warum lehnen Sie es dann ab, als „neonazistisch“ bezeichnet zu werden?

 

Voigt: Weil ich von Inhalt und Überzeugung her Nationaldemokrat bin.

 

Die NPD demonstriert immer wieder unumwunden antisemitische Attitüden.

 

Voigt: Offensichtlich beziehen Sie Ihre Informationen über die NPD auch aus den den Siegern verpflichteten Massenmedien.

 

Beispielsweise tragen NPD-Mitglieder Hemden mit dem Aufdruck: „Keine Macht den Nasen“.

 

Voigt: Nein, tut mir leid, Sie sind der erste, der mir so etwas sagt. Im übrigen nehmen wir das mit der freien Meinungsäußerung ernst.

 

Der ehemalige NPD-Vordenker Horst Mahler pflegt bekanntermaßen einen aggressiven Antisemitismus.

 

Voigt: Ein Grund für seinen Austritt war, daß wir es ablehnten, die NPD in den Kampf um die Holocaustthematik zu führen.

 

Warum?

 

Voigt: Solange man eine Null-Komma-Partei ist, ist eine solche Auseinandersetzung nicht zu leisten. Die muß später erfolgen. Seit den Zeiten Roms wissen wir, daß der Sieger die Geschichte schreibt. Im übrigen interessiert die Leute auf der Straße nicht der Holocaust, sondern ihre Alltagsprobleme, wie etwa Hartz IV.

 

Das heißt, die Ablehnung von Mahlers antisemitischen Thesen ist rein taktischer Natur?

 

Voigt: Die NPD ist bestrebt, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich geistig befinden.

 

Herr Voigt, „Focus“-Chefredakteur Helmut Markwort vermutet, mit dem Einzug der NPD in den Landtag wird künftig „möglicherweise auch der Verfassungschutz ein Mandat besetzen“.

 

Voigt: Durch das Verbotsverfahren gegen unsere Partei, bei dem die meisten Agenten enttarnt worden sind, sind wir wohl derzeit die Partei im nichtetablierten Lager - inklusive der PDS - mit den wenigsten Spitzeln. Nur die NPD bietet also reale unverfälschte Opposition und nimmt im übrigen das Grundgesetz ernster als die, die vorgeben, es zu verteidigen und im Namen der Verfassung Bespitzelung betreiben und „Judaslöhne“ dafür bezahlen.

 

 

 

Foto: NPD-Wahlsieger Marx, Leichsenring, Apfel und Voigt: „Der ‘Kampf gegen Rechts’ hat uns den Weg freigeräumt“

 

 

 

Udo Voigt: ist seit 1996 Vorsitzender der NPD. 1952 in Viersen/NRW geboren, diente der Berufssoldat 14 Jahre bei der Luftwaffe, bevor er aus politischen Gründen entlassen wurde und Politikwissenschaft an der Universität München studierte. 1968 trat er der NPD bei, war von 1992 bis 1998 Landesvorsitzender in Bayern und Leiter des NPD-Bildungszentrums in Italien.

 

 

 

Nationaldemokratische Partei Deutschlands: Die NPD wurde 1964 unter Führung des CDU-Mitbegründers und späteren Politikers der Deutschen Partei, Fritz Thielen, und des Vorsitzenden der Deutschen Reichspartei (DRP), Adolf von Thadden, als „Sammlung des nationalen Lagers“ gegründet. Unter von Thadden, dessen Schwester 1944 im Zuge des 20. Juli von den Nationalsozialisten hingerichtet worden war, verfolgte die Partei einen betont bürgerlichen, rechtskonservativen und antikommunistischen Kurs. Nachdem sie trotz Wahlerfolgen in sieben Bundesländern 1969 knapp den Einzug in den Bundestag verpaßte, versank sie in der Bedeutungslosigkeit. In den neunziger Jahren übernahmen - insbesondere nach dem Verbot der neonazistischen FAP - zunehmend am Nationalsozialismus orientierte Kräfte die dahindämmernde Partei und sorgten für einen radikalen Kurswechsel. Aus der systemerhaltenden wurde eine systemalternative, völkische und sozialrevolutionäre Partei mit antikapitalistischer Attitüde; zudem wurde eine Brücke zur Skinheadszene geschlagen. Über die NPD von heute sagt der zeitweilige NPD-Anwalt Horst Mahler, sie sei eine „linke Partei“.

 

Vgl. http://www.junge-freiheit.de/aa_03.htm

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@Besorgter

Würdest Du deinen Kunden auch derart umfangreiche Abhandlungen zumuten?

Bei deinem Engagement ist es doch nicht zuviel verlangt, wenn Du die Artikel mit einer kurzen Zusammenfassung versiehst. Und wer genug Zeit hat, sich die "feinsinnige Rhetorik" der JF auf der Zunge zergehen zu lassen, erreicht die Texte ja auch über die angegebenen Links.

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@Harry

 

Also wenn ich da von mir ausgehe, bin da ein ziemlicher Klickmuffel, zumal man ja auch nie weiss, was sich dahinter verbirgt. Hinzu kommt auch die Scheu, weil eben bei Vielen der Glaube vorherrscht, die JF sei sonstwas für ein Monsterblatt ... das kann man auf die Weise gut ausräumen. :vogelzeig:

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@Harry

 

Hinzu kommt auch die Scheu, weil eben bei Vielen der Glaube vorherrscht, die JF sei sonstwas für ein Monsterblatt ... das kann man auf die Weise gut ausräumen. :vogelzeig:

Na, ob Dir das wohl mit dem Zitieren von Monsterartikeln aus dem vorgeblichen Monsterblatt gelingen wird....? :D

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Und damit nicht irgendwelche Gerüchte oder Vorurteile der JF gegenüber aufkommen, hier das Interview in voller, ungekürzter Länge (man beachte bitte den kritischen, neutralen Fragestil). Es möge sich bitte jeder selbst sein unverfälschtes Bild machen.

Besser hätte man den "Salonfaschismus" nicht darstellen können. Das Ganze erinnert doch sehr an die Geschehnisse im Vorfeld von 1933, als sich die "intellektuellen" Rechten (Salonfaschisten) vom Auftreten der SA-Schläger zutiefst angewidert sahen. Dieser intellektuelle Anspruch wird, so wie ich dich immer verstehe, von der JF und ihren Lesern sehr hochgehalten. Wie man jedoch sieht, kann man sich seine "Freunde" nicht aussuchen.

 

Wahlanalysen aus Sachsen zeigen: Es besteht eine Korrelation zwischen der Neigung, rechtsextrem zu wählen und dem Bildungsgrad. Der Korrelationskoeffizient r ist allerdings negativ. Oder zusammengefaßt: "Dumm wählt gerne rechtsextrem".

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