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Zwei überlappende Vergehen: Rechtskraft vs. Tat-Tag?

Radarfalle.de Forum: Archiv: 2002: Geschwindigkeitsverstoß: Zwei überlappende Vergehen: Rechtskraft vs. Tat-Tag?
By Hans Meier (62.153.22.98) on Montag, den 25. März, 2002 - 16:01:

Im Sommer 1999 war ich innerorts 32km/h zu schnell. Die Rechtskraft ist aber erst im Dezember 2001 eingetreten.
Im Sommer 2001 war ich außerorts 40km/h zu schnell. Die Rechtskraft wird wohl im April 2002 eintreten.

Zu einem anderen Thema schreibt Farendil:
"maßgeblich für den beginn der jahresfrist ist die RECHTSKARFT des erstern verstoßes. beim weiten verstoß zählt der TAT-TAG, nicht die rechtskraft..."

Wenn ich das richtig verstehe, dann ist die Jahresfrist hier nicht anwendbar, denn der Tat-Tag des 2. Verstoßes liegt ja vor der Rechtskraft des 1. Verstoßes.

Was wird passieren, wenn der Richter, vor dem der 2. Verstoß demnächst verhandelt wird, von der vor 4 Monaten eingetretenen Rechtskraft des 1. Verstoßes erfährt? Es ignorieren (müssen)?

Was ist Eure Meinung zu diesem Thema?

By alfa (195.124.135.7) on Montag, den 25. März, 2002 - 17:04:

Ich meine (bin mir aber nicht ganz ganz sicher) dass die Bedingung ...innerhalb eines Jahres zwei mal mehr als 25 km/h zu schnell ...erfüllt ist, da auch "rückwärts" gerechnet wird. D.h. ein Fahrverbot wäre erst einmal zu erwarten, falls nicht irgendwelche Gründe die dem entgegenstehen, geltend gemacht werden können.

By dagegen (217.5.19.32) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 00:47:

Nein, Hans hat das schon ganz richtig dargestellt. Ein Fahrverbot für den zweiten Verstoß ist NICHT gerechtfertigt.

By piranha (194.95.176.28) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 10:43:

>"Ein Fahrverbot für den zweiten Verstoß ist NICHT gerechtfertigt."

Immer langsam. Hier ein kleiner Ausflug in die aktuelle Rechtsprechung....

Grundsätzlich kommt die Anordnung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers auch dann in Betracht, wenn bei Begehung der neuerlichen Tat noch keine rechtskräftige Vorahndung vorgelegen hat. Mit § 2 Abs.2 Satz 2 BKatV hat der Verordnungsgeber bestimmte Regel(Sonder)fälle aus dem undifferenzierten Bereich beharrlicher Verkehrsverstöße des § 25 Abs.1 Satz 1 StVG herausgenommen und rechtlich verselbständigt (BGHSt 38, 231, 234). Damit hat er Verwaltungsbehörden und Gerichte keineswegs voll einer Einzelfallprüfung befreit, sondern nur den Begründungsaufwand in den katalogmäßig bestimmten Regel(Sonder)fällen eingeschränkt (BGHSt 38, 125, 131).

Der Vorwurf, beharrlich die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt zu haben, besteht darin, daß der Fahrer durch die wiederholte Begehung von Verkehrsverstößen, die nach ihrer Art oder den Umständen ihrer Begehung für sich allein betrachtet zwar nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben Zuwiderhandlungen zählen, erkennen läßt, daß es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt (Amtl.Begr. BT-Drucks.V/1319 S. 90;BGHSt 38, 231, 234). Fehlende Einsicht in zuvor begangenes Unrecht kann er auch dann zeigen, wenn ihm vor Begehung einer weiteren Ordnungswidrigkeit die frühere Tat auf andere Weise als durch rechtskräftige Ahndung voll bewußt geworden ist. Das kann beispielsweise - auch bei fahrlässiger Tatbegehung - schon durch die Zustellung des Bußgeldbescheides geschehen (vgl. BayObLG NZV 1996, 370, 371). Doch bedarf es in einem solchen Fall ausreichender tatrichterlicher Feststellungen, die den Schluß zulassen; der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (vgl. BVerfG DAR 1996, 196, 198).

By farendil (217.235.40.188) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 13:09:

@dagegen: richtig.

@piranha: ich hab es schon mal ausführlich dargelgt.

ja, es gibt die regel, daß ein fahrverbot auch bei beharrlicher pflichtverletzung des fahrzeugführers verhängt werden kann, wess es keine explizite regel dafür gibt.

ABER: hier gibt es eine regel. und die tatumstände liegen nun mal außerhalb derselben.

anders würde es aussehen, wenn ein fahrer halt immer wieder einzelverstöße begeht, bei denen keine explizite regel vorliegt (wie hier die 2 jahresregel und mind. +26) und für die es einzeln kein fahrverbot gibt.

By piranha (217.1.173.220) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 18:18:

@farendil:

>"ABER: hier gibt es eine regel. und die tatumstände liegen nun mal außerhalb derselben"

... ja und ??? Das ist doch völlig wurscht :-)

Für die rechtmäßige Verhängung eines Fahrverbotes wegen "Beharrlichkeit" spielt der ominöse § 4 II BKatV (BKatV-Fassung 2002) streng genommen überhaupt keine Rolle.

Warum?

Passt der Wiederholungsverstoß eines Betroffenen genau in das Schema des § 4 II BKatV, wird in der Regel ein Fahrverbot verhängt. So weit, so gut.

Vorteil: Ich brauche in diesem Fall keine lange Begründung schreiben. Ich verweise einfach auf die BKatV - "Fahrverbot wegen Beharrlichkeit gem. § 4 II BKatV" ... zack ... und fertig. Der liebe Verordnungsgeber hat mir lediglich den Begründungsaufwand minimiert – das ist alles.

Dies bedeutet umgekehrt jedoch nicht, dass ein Fahrverbot nicht gerechtfertigt wäre, wenn der Wiederholungsverstoß nicht in das Schema passen würde - weit gefehlt!!!

Nachteil: Nun muß ich das Fahrverbot genauer begründen (dedizierte Einzelfallprüfung). Die Begründung basiert dabei auf die einschlägige Rechtsprechung ... und diese habe ich im vorliegenden Fall präsentiert. In der dedizierten Einzelfallprüfung kann die Bußgeldbehörde oder der Tatrichter völlig unabhängig vom § 4 II BkatV entscheiden und so soll und muss es auch sein.

Bitte begeht hier nicht immer wieder den ewig gleichen Kardinalsfehler: "Fahrverbot nicht gerechtfertigt weil das Schema des § 4 II BKatV nicht passt" ... das ist einfach falsch!

MfG

By farendil (217.235.40.188) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 19:27:

@piranha: angenommen, jemand hat 0 punkte. er begeht einen geschwindigkeitsverstoß von +33 außerorts. der verstoß wird am 01.01.01 rechtskräftig.
jetzt begeht er am 10.01.02 wieder einen verstoß. (z.b. +28 innerorts).

wenn du hierbei ein fahrverbot verhängst, führst du die sonderregelung (2 verstöße von mind. +26 in einem jahr) ad absurdum. denn diese regel soll nicht nur verkehrsteilnehmer erziehen, sie soll sie auch SCHÜTZEN!!!

und wenn du jetzt in diesem fall ein fahrverbot verhängst, so verletzt du damit den wesensgehalt des gesetzes.
und genau hier hört der interpretationsspielraum bei der verhängung eines fahrverbotes wegen beharrlichkeit auf!!!


"Fahrverbot nicht gerechtfertigt weil das Schema des § 4 II BKatV nicht passt"
so wäre es nicht richtig.
daß ein fahrverbot generell bei mehreren verstößen möglich ist, nur die art der begründung anders zu handhaben ist, trifft aber ebenfalls nicht die wahrheit.


ps: verrätst du, in was für einer position du in welcher behörde (art der behörde, nicht ort) arbeitest??

By piranha (217.1.145.211) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 20:35:

@farendil:

Erstmal Dank für Dein Feedback. Mir wird langsam klar, warum Du in eine gewisse Richtung argumentierst...

>"denn diese regel soll nicht nur verkehrsteilnehmer erziehen, sie soll sie auch SCHÜTZEN!!!"

*räusper* - WO STEHT DAS :-)

Es soll weder das eine noch das andere. Lies genau (!) den BKat-Text und versuche darin den von Dir unterstellten "Schutzgedanken" zu entdecken, lies StVR-Kommentare bis Du schwarz wirst, nichts wird Deine Auffassung unterstützen. Nur die Nebenfolge selbst, also das verhängte Fahrverbot, entfaltet in dem Zusammenhang erzieherische Wirkungen.

Nochmal: Der § 4 II BKatV erleichtert lediglich das Owi-Massenverfahren. Mehr nicht! Dem BKatV-Text kann im Umkehrschluss nicht entnommen werden, daß etwaige Rechtsansprüche seitens der Betroffenen bestehen, wenn ein Fahrverbot trotz eines Abweichens vom Regelfall (Wiederholung gem. §4 II BKatV) verhängt wird. Nix mit "schützen"! Nur allein auf die Begründung kommt es an.

Passt das Schema, habe ich (häufig) einen Regelfall mit vereinfachter Begründung. Passt es nicht, muß ich die einschlägige Rechtsprechung abklopfen und begründen. Eine Einzelfallprüfung ist IMMER anzustellen. Ein "ad absurdum" sehe ich hier keinesfalls, weil eben kein Rechtsanspruch auf "Schema-Einhaltung" seitens des Betroffenen besteht.

>"ps: verrätst du..."

Ich schick Dir morgen eine Mail mit meinem Outing ("VS - Vertraulich"). Danach bist Du Geheimnisträger :-)

By Hans Meier (62.226.152.83) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 22:52:

Hatte gestern ein Telefonat mit meinem Anwalt:

Der behauptet, dass
1. die Reihenfolge der Vergehen keine Rolle spielt
2. nur die Tage der Rechtskraft beider Verstöße maßgeblich sind

Mit anderen Worten: der Richter schaut lediglich nach, ob schon Eintragungen vorliegen, die jünger als ein Jahr sind. Wenn ja, dann ist ab +26km/h der Lappen weg.

Auf meinen Fall bezogen hieße das: Fahrverbot.

ABER:

Der Richter, der den 2. Verstoß bearbeitet, hat zum Glück einen Registerauszug vorliegen, der von einem Zeitpunkt stammt, an dem die Eintragung noch nicht vermerkt war.

Fragen dazu:
1. Hat mein Anwalt recht oder sollte ich mir lieber einen kompetenteren suchen?
2. Wie lange dauert es in der Regel, bis nach dem Eintreten der Rechtskraft die Eintragung im Register steht?

By dagegen (217.5.19.43) on Dienstag, den 26. März, 2002 - 23:33:

Bilde dir selbst eine Meinung über deinen Anwalt:

Steht in § 2 (2) BKatV:

"Wird ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers zum ersten Mal angeordnet, so ist seine Dauer in der Regel auf einen Monat festzusetzen. Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. "

By Greatblackbird (62.104.223.66) on Mittwoch, den 27. März, 2002 - 18:27:

@Hans Meier

Der behauptet, dass
1. die Reihenfolge der Vergehen keine Rolle spielt
2. nur die Tage der Rechtskraft beider Verstöße maßgeblich sind


Es zählt wirklich die Zeit zwischen Rechtskraft des einen und BEGEHUNG des nächsten Verstoßes. Insofern hat Dein Anwalt Unrecht. Zudem kann ich aus eigener Erfahrung sprechen. Ich habe das letztes Jahr erst durchgemacht und bin auch von der Rechtskraft der Verstöße ausgegangen, mußte mich dann vom Richter eines Besseren belehren lassen. Den genauen Woretlaut hat "dagegen" ja oben ausführlich gepostet.


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